Das TiHo-Insektarium – Home of the “Krabbelkist”

Das Insektarium des LMQS hat zur Aufgabe, die Haltung und Zucht Nutzinsekten zu Forschungszwecken durchzuführen. Da gegenwärtig die Nutzung im Rahmen des Projektes IFNext im Vordergrund steht, werden dort vor allem Grillen und Schwarzkäfer gehalten. Darüber hinaus besteht eine kleine Haltung von Schwarzen Soldatenfliegen (Hermetia illucens).  

Die „Krabbelkist“ ist die im Rahmen von IFNext konzipierte Haltungs- und Zuchtbox für Grillen (s.u.).  

Warum werden Nutzinsekten gehalten?

Die Nutzinsektenhaltung ist eigentlich nicht neu, denn Futtermittelzüchter praktizieren die Haltung und Zucht von einigen Arten seit Jahrzehnten erfolgreich, um den Bedarf bei Haltern von Insekten fressenden Haus- und Heimtieren zu gewährleisten. 

Die meisten hier gehaltenen Insektenarten lassen sich sowohl als Futter- wie auch Lebensmittel einsetzen, sind also auch für den Menschen essbar. Obwohl eine Futtermittel-Grille dieselben Ansprüche an die Haltung wie eine Lebensmittel-Grille hat, bestehen doch für die Zucht von Lebensmittel liefernden Tieren eigene Vorgaben, die es zu beachten gilt, vor allem im Bereich der Hygiene. 

Die Vorteile der Zucht gegenüber des Sammelns in der freien Wildbahn liegen für die meisten Arten auf der Hand:  

  • Schonung natürlicher Bestände – aber auch Schutz der Tiere, die herkömmlicherweise diese Insekten erbeuten, z.B. Vögel, Spinnen, Amphibien, Reptilien etc. 

  • Kontrolle über den Erzeugungsprozess, z.B. zielgerichtete Fütterung 

  • Verbraucherschutz, v.a. im Bereich der chemischen Rückstände in der Umwelt. 

Das TiHo-Insektarium bietet die Möglichkeit, Erzeugungszyklen auf kleinem Raum zu erforschen und zu dokumentieren und dient als Modell für größer angelegte Betriebe. 

Nutzinsekten werden gegenwärtig weltweit in vier grundlegenden Haltungssystemen gezüchtet: 

  • Xirokultur: Haltung in einer überwiegend trockenen Umgebung, z.B. Grillen, Heuschrecken und Schwarzkäfer 

  • Hygrokultur: Haltung in einer überwiegend feuchten Umgebung, z.B. Larvenstadien der Soldatenfliege 

  • Aquakultur: Haltung in Aquarien oder Aqua-Terrarien, z.B. Wasserwanzen und –käfer 

  • Xylokultur: Haltung von holzfressenden Arten in Stämmen oder Eimern mit Spänen der Wirtspflanze, z.B. Bambusbohrer (Omphisa fuscidentalis) oder Sagowürmer (Rhynchophorus ferruguineus

In Deutschland spielen gegenwärtig nur die ersten beiden Haltungsformen eine Rolle.  

Welche Arten werden im TiHo-Insektarium gehalten?

Unsere Tiere gehören drei größeren Gruppen an: 

  • Grillen (Gryllidae): Zusammen mit den Grashüpfern und Heuschrecken gehören sie in eine Ordnung von Insekten mit etwas 28.000 Arten. Grillen haben lange Fühler, eine sattelförmige Brustplatte auf dem Rücken und ein muskulöses drittes Beinpaar. Das Zirpen entsteht, indem die Männchen Flügel oder Beine aneinanderreiben, die kammartige Grate aufweisen. Junge Grillen heißen Nymphen und sehen bereits gleich nach der Geburt wie eine Miniaturausgabe der Erwachsenen aus, häuten sich mehrmals und werden dann zum Erwachsenen, der sich fortpflanzen kann (sog. Hemimetabolie). Grillen sind Allesfresser. 

  • Schwarzkäfer (Tenebrionidae): Es gibt mehr als 350.000 Käferarten weltweit; die meisten zeichnen sich durch eine Verstärkung des ersten Flügelpaars mit begrenzter Flugfähigkeit aus, während das zweite Paar den eigentlich Flug bestreitet. Die Jungtiere von Käfern nennt man Larven, da sie den Erwachsenen nicht ähnlich sehen. Das findet sich auch im normalen Sprachgebrauch, denn die Larven von Tenebrio molitor heißen „Mehlwürmer“, die Erwachsenen sind eher als „Mehlkäfer“ bekannt. Aus Larven werden Puppen, also eine ruhende Form, in der sich das Insekt auflöst und nochmals neu zusammensetzt, um zum erwachsenen Käfer zu werden (sog. Holometabolie). Auch Schwarzkäfer sind Allesfresser. Interessanterweise sind viele in der Lage, aufgrund der in ihnen ansässigen Bakterien Kunststoff zu verdauen. 

  • Waffenfliegen (Stratiomyidae): Die Fliegen sind Teil der ca. 160.000 Arten umfassenden Ordnung der Zweiflügler.  Auch bei ihnen haben sich die Flügel verändert. Mit dem ersten Paar fliegt das Tier, das zweite hat sich zu sog. Schwingkölbchen umgewandelt und dient der Orientierung. Fliegen sind wie Käfer holometabol, die Larven werden auch Maden genannt und sind Allesfresser. 

Mittelmeergrille (Gryllus bimaculatus)

Diese Grille stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerbereich, kommt aber jetzt als Futterinsekt in vielen Ländern auch wild vor. Mit 2,2 bis 3,0 cm Länge und ca. 1 g Gewicht ist sie für eine Grille recht mächtig. Gerade die erwachsenen Weibchen haben auf ihrem fast schwarzen Körper zwei markante Punkte auf den Ansätzen des ersten Flügelpaars.  

Steppengrille (Gryllus assimilis/locorojo)

Steppengrillen werden in etwa so groß wie Mittelmeergrillen, stammen aber ursprünglich aus der Neuen Welt. Ihr Hinterleib ist schiefergrau, der Rest des Körpers in mehreren Rotbraun-Tönen. Charakteristisch sind die drei bis vier dunkleren Streifen, die sich senkrecht vom Hinterhaupt bis zwischen den Augen erstrecken. Zurzeit wird in der Fachwelt noch gestritten, ob die weltweit als Nutzinsekten gehaltenen Steppengrillen tatsächlich G. assimilis oder die sehr ähnlich aussehende G. locorojo (oder auch beide) sind.   

Mehlwurm, Mehlkäfer (Tenebrio molitor)

Seit der Bronzezeit (vor ca. 5.000 Jahren) sind Mehlwürmer sind Kulturfolger verbrieft. Ursprünglich bewohnten sie Mulch und Vogelnester im Mittelmeerraum, sind aber mittlerweile praktisch weltweit verbreitet und gelten auch als Vorratsschädlinge, weil sie gelagertes Getreide fressen. Mehlkäfer sind das Paradebeispiel, sich eine Plage zu Nutzen zu machen. Die drei verschiedenen Nutzschwarzkäferlarven (s.u.) ähneln sich auf den ersten Blick sehr, denn alle sind länglich und gelbbraun und mit dunkler Bänderung. Mehlwürmer sind von mittlerer Größe (2,5 cm bei Larven, ca. 1,2 bis 1,8 cm bei Käfern) und ihre Bänderung ist nicht so ausgeprägt. 

Buffalowurm, Glänzendschwarzer Getreideschimmelkäfer (Alphitobius diaperinus)

Diese Schwarzkäferart stammt wohl vom afrikanischen Kontinent, bewohnt Tierbauten, Vogelnester und Fledermaushöhlen, ist aber genauso zum Kulturfolger geworden wie der Mehlwurm, ist aber vor allem als Schädling in der Geflügelzucht ein Problem. Buffalowürmer sind mit 0,7 bis 1,1 cm etwas kleiner und schlanker als Mehlwürmer und ihre Bänderung tritt deutlicher hervor. Die Käfer messen meist 0,5 bis 0,6 cm Länge.  

Zophobas-Wurm, Großer Schwarzkäfer (Zophobas atratus, ehemals „Zophobas morio“)

Diese Art kommt aus der Mitte des amerikanischen Kontinents und bewohnt dort Fledermaushöhlen, sind also keine Kulturfolger. Dennoch hat sich die Zucht auf alle Kontinente ausgebreitet, da die Larven mit 5 bis 6 cm Länge stattliche Erscheinungen sind und sich gut züchten lassen. Anders als andere Nutzinsekten verpuppen sich Zophobas-Würmer kaum in Gemeinschaft, sondern müssen dann separat gehalten werden, um zu einem Käfer von 1,8 bis 2,2 cm Länge zu werden. Von den drei Schwarzkäferarten sind sie also die größten, und Bänderung der Larven ist vor allem am Kopf und am Schwanz sehr ausgeprägt.  

Schwarze Soldatenfliege (Hermetia illucens)

Die Soldatenfliegen, auch BSF (black soldier flies) genannt, erfreuen sich großer Beliebtheit auf dem Insektensektor. Anders als bei den Grillen geht die Nutzung der BSF nur geringgradig auf eine Tradition zurück. Vielmehr wurde die Zucht erst in den letzten Jahrzenten entwickelt, da die BSF-Larven einen regen Appetit haben und, je nachdem, was sie zu fressen bekommen, vielseitig eingesetzt werden können, bis hin zur Verminderung von Bioabfällen. Ursprünglich kommt sie aus Südamerika, ist aber weltweit auf dem Vormarsch. Erwachsene Fliegen sehen auf den ersten Blick wie eine kleine, schwarz-weiße Wespe, und tatsächlich ahmen sie eine Schlupfwespenart nach, betreiben aus Mimikry. Larven sind anfangs cremefarben, lieben es feucht (Hygrokultur) und fressen rund um die Uhr. Mit zunehmenden Alter werden sie dunkler, höre zu fressen auf und suchen sich eine trockene Umgebung, um sich zu verpuppen (Xirokultur). Die erwachsene Fliege lebt nur ca. acht Tage und trinken Wasser, können aber nichts mehr fressen und leben von ihren Reserven aus der Larvenzeit.  

Was ist „Frass“?

Jede Nutztierhaltung erzeugt Haupt-, aber auch Nebenprodukte. Bei den Insekten bezieht sich „Frass“ auf anfallenden Reststoffe der Haltung und Zucht: Insektenkot, Futter, Häutungsreste und tote Insekten, etwa aus den Zuchtkolonien. Dieser Frass ist ein technologisch sehr interessantes Produkt, dass mindestens als Düngemittel im Pflanzenbau verwendet werden kann.   

Was ist eine „Krabbelkist“?

Damit bezeichnen wir die an der TiHo im Rahmen von IFNext entwickelte Box zur Haltung und Zucht für Grillen für kleine Betriebe und Einsteiger. Sie entstand aus der allgemeinen Vorgehensweise, Insekten in Terrarien oder Kunststoffboxen zu halten, wurde aber um Elemente der in Südostasien gebräuchlicheren, aber großen Becken erweitert, z.B. die Anordnung von Eierpappen und die Wasserversorgung. So ist die Krabbelkist aufgrund ihrer Größe noch handhabbar, und eine Standardisierung der Boxenausstattung ermöglich eine Zucht unter vergleichbaren Bedingungen. 

Der Name stammt aus der niederdeutschen Sprache und kommt von Krabbelderen (Insekten) und Kist (Kiste, Box).