Das Fachgebiet „Geflügelkrankheiten" an der Tierärztlichen Hochschule Hannover

Mitte des vorigen Jahrhunderts befand sich die Wirtschaftsgeflügelhaltung in einem radikalen Umbruch. Die Tierärztliche Hochschule Hannover hat sich als erste tierärztliche Bildungsstätte im westeuropäischen Raum dem wachsenden Bedarf an Lehre und Forschung im Bereich Wirtschaftsgeflügel gewidmet. Zu Beginn der 60iger Jahre wurde deshalb das „Institut für Tierhygiene und Geflügelkrankheiten" gegründet und auf den gleichnamigen Lehrstuhl Prof. Dr. Irmgard Gylstorff als Direktorin berufen. Zur praxisnahen Ausbildung der Studierenden wurde eine umfangreiche Tätigkeit aufgenommen, eine ambulatorische Klinik für Wirtschaftsgeflügel - heute unter "Bestandsbetreuung" subsumiert - sowie eine Klinik für Zier- und Wildvögel als Arbeitsgruppe der Klinik für Geflügel eingerichtet. Die Wissensvermittlung über Geflügelkrankheiten, zunächst in Lehrveranstaltungen der Tierhygiene und der Inneren Medizin integriert, wurde erst 1967 selbständiger und obligatorischer Bestandteil der tierärztlichen Ausbildungs- und Prüfungsordnung.

Mit der Wahrnehmung der damit verbundenen Aufgaben wurde ab 1966 Prof. Dr. Otfried Siegmann betraut. Begünstigt durch Empfehlungen des Wissenschaftsrates gelang ein zügiger Auf- und Ausbau des Institutes. Die Umbenennung in „Klinik für Geflügel" reihte das neue  Fachgebiet in die Gliederung nach Tierarten in Hannover ein. 1974 wurden der Klinikneubau und Umzug auf den "Westfalenhof" im Stadtteil Hannover-Kirchrode abgeschlossen. Hier bieten funktional einander zugeordnete Räumlichkeiten günstige, dem Arbeitsablauf sowie der Kommunikation dienliche Bedingungen, die für Lehre, Forschung und Dienstleistung gleichermaßen genutzt werden. Im unmittelbar benachbart gelegenen Isolierhaus können tierexperimentelle Arbeiten durchgeführt werden. Neben der Vermittlung neuer Forschungsergebnisse sind  Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit mit der Praxis stets Anliegen der Klinik. Hierzu veranstaltet die Klinik für Geflügel seit Ende der 60er Jahre zweimal jährlich das „Fachgespräch über Geflügelkrankheiten" in Hannover. Diese Veranstaltung ist zu einer Institution geworden, die sich im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus hoher Akzeptanz erfreut.

Der geradezu revolutionäre Kenntniszuwachs und die methodischen Entwicklungen im gesamten infektionsmedizinischen Bereich einschließlich Molekularbiologie und Immunologie inspirierten auch das Fach „Geflügelkrankheiten" nachhaltig. So wurden nach der Amtsübernahme durch Prof. Dr. Ulrich Neumann im Jahr 1992 erhebliche Investitionen getätigt, um das molekularbiologische und immunologische Repertoire in Forschung, Leistungsangebote und Diagnostik zu integrieren. 

Die Arbeitsgruppe für Zier-, Zoo- und Wildvögel wurde kürzlich aus der Klinik für Geflügel ausgegliedert und im Rahmen einer Neustrukturierung in die Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel mit Standort im neuen Klinikum am Bünteweg integriert.

 

Am 01.01.2011 ist  Frau Prof. Dr. Silke Rautenschlein als Direktorin der Klinik für Geflügel ernannt worden. Die Klinik für Geflügel ist heute wissenschaftlich national und international weit vernetzt (z.B. FluResearch-Net ), Mitglied in virtuellen Zentren für Infektionsmedizin, Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch und für Tiergesundheit und Lebensmittelqualität  an der Tierärztlichen Hochschule, was das Forschungsspektrum in den Bereichen Infektionsmedizin und Entwicklung von Prophylaxestrategien bis hin zum Tier- und Verbraucherschutz widerspiegelt. Auch in der Lehre hat sich das Aufgabenspektrum erweitert. Neben der Ausbildung der Studierenden der Tiermedizin auch im postgraduierten Bereich ist die Klinik an den PhD-Studiengängen ‚Veterinary Research and Animal Biologie'  sowie Animal and Zoonotic Infections‘ beteiligt und erhielt 2015 die Anerkennung als Ausbildungsstätte für das European College of Poultry Veterinary Science (ECPVS) Residency Programm.