Frischlinge vom Wildschwein
Projektdaten
Projektdauer: mehrjährig
Betreuung: Dr. G. Sodeikat
Förderung: Jagdabgabemittel des Landes Niedersachsen, Eigenmittel

Während verschiedene Wildarten in ihrem Bestand abnehmen, hat das Schwarzwild in den letzten Jahren enorm hohe Populationsdichten erreicht. Die Schwarzwildstrecke im Jagdjahr 2002/ 2003 betrug 44.171 Sauen. Zum Vergleich dieser Strecke wurden vor 35 Jahren im Jagdjahr 1966/67 lediglich 5503 Wildschweine erlegt. Verbunden mit der gewaltigen Streckensteigerung, der zweifelsohne eine anhaltend hohe Vermehrungsrate des Schwarzwildes zugrunde liegt, ist ein starker Populationsanstieg zu verzeichnen. Die euryphage Lebensweise der Wildschweine verbunden mit hoher Anpassungsfähigkeit macht es dem Schwarzwild leicht, bei steigender Populationsdichte auf benachbarte Reviere auszuweichen und sich damit neue Lebensräume zu erschließen.

Die sich aus den hohen Schwarzwildbeständen ergebenden Probleme betreffen nicht nur die steigenden Feldschäden, sondern insbesondere die Gefahr des wiederholten Auftretens der Europäischen Schweinepest (ESP). Auch wenn der zuletzt festgestellte ESP- Fall in Niedersachsen im Landkreis Rotenburg mehr als ein Jahr zurückliegt, ist die Gefahr neuer Ausbrüche gegeben. Das belegen die aktuellen Schweinepestfälle in den Schwarzwildbeständen in anderen Bundesländern wie z.B. in Rheinland- Pfalz.

Die Notwendigkeit einer Abschätzung der Wilddichte wird durch die aktuelle Diskussion um Bestandshöhen und Schweinepest überdeutlich. Verschiedene Gruppierungen aus Jagd, Forstverwaltung und Veterinärmedizin diskutieren teils kontrovers über Bestandsdichten der Sauen, deren Entwicklung und Ursachen der steigenden Jagdstrecken.

Es stellt sich hierbei die Frage, ob das Auftreten der Schweinepest auch stets an hohe Wildschweinbestände gekoppelt ist. In der Regel beziehen sich die Bestandsangaben auf die Jagdstrecken. Alleinige Streckenanalysen führten jedoch häufig zu Fehlinterpretationen bei der Einschätzung der Bestandshöhen. Die Ergebnisse der Streckenrückrechnungen, Beobachtungen an Kirrungen, während der Drückjagden und Fährtenzählungen ergeben ein nur lückenhaftes Bild. Nach Stubbe (1996) sind Sauenbestände z.B. in der früheren DDR um den Faktor drei unterschätzt worden. Weiterhin erfolgte eine Fehleinschätzung der Reproduktionfähigkeit des Schwarzwildes. Ein ähnlicher Sachverhalt dürfte auch auf unsere Reviere zutreffen. Die stets zu beobachtenden Schwankungen in den Schwarzwildstrecken in den einzelnen Jagdjahren haben verschiedene Ursachen. Sie können z.B. in der jährlich unterschiedlich durchgeführten Bejagungsintensität aber auch in den Schwankungen der jährlichen Reproduktionsrate der Bachen liegen.

Verbesserte Einblicke in das jährliche Reproduktionsgeschehen der Frischlingsbachen und älteren Bachen bzw. deren Zuwachsraten wären für eine Bewertung der Strecken und Prognostizierung der Bestandsentwicklung äußerst hilfreich. Diese Daten sind nur durch Untersuchungen zur Reproduktionsrate an erlegten Bachen insbesondere im Zeitraum November bis Februar zu gewinnen. Untersuchungen am IWFo belegen zudem, daß sich die stärkeren, über 32,5 kg schweren und 10 Monate alten Frischlingsbachen unter „normalen Bedingungen fast zu 100 % an der Reproduktion beteiligen (APPELIUS 1995). Unter Beachtung der neuesten Untersuchungsergebnisse am IWFo und Berücksichtigung weiterer Faktoren muss davon ausgegangen werden, dass in durchschnittlichen Jahren mindestens 60 % der weiblichen Frischlingspopulation im Frühjahr tragend sind und sich im Mittel mit 4,25 Frischlingen vermehren. Aus dieser Tatsache resultiert zwangsläufig ein enorm hoher Populationszuwachs. Es ist davon auszugehen, dass unter den heutigen günstigen ökologischen Verhältnissen eine Zuwachsrate von 200 % bis annähernd 300 % vom gesamten Frühjahrsbestand schnell erreicht ist. Die Ergebnisse der 5. Intern. Wildschwein- Fachtagung in Lousa/ Portugal zeigen deutlich, daß probate Zählmethoden zur Erfassung der Sauenpopulation in den sehr unterschiedlichen Lebensräumen bislang nur ansatzweise zur Verfügung stehen.

Zuverlässige Erfassungsmethoden werden für ein Management dringend benötigt, insbesondere in Hinblick auf die Abschätzung der ESP- Gefahr in Gebieten mit hohen Sauendichten. Aus diesem Wissensdefizit heraus ergibt sich die Notwendigkeit der Suche nach einer objektiven Methode bzw. nach einem praxistauglichen Wildschwein- Monitoring.

 

Quantitative Simulation (Modelling) der Populationsdynamik beim Wildschwein

Zur Erstellung guter Schwarzwild- Management Empfehlungen ist eine solide Analyse der Populationsdynamik unabdingbar. Im internationalen Wildtier- Management werden bereits verschiedene mathematische Modelle verwendet. Mittels verschiedener Modellansätzen (z.B. Matrixmodellen, wie z.B. mit dem Leslie- Matrix-Modell, Zelluläre Automaten…) werden noch offene Fragen der Populationsdynamik des Schwarzwildes unter den gegenwärtigen dynamischen Umweltbedingungen quantitativ untersucht und die Dynamik der wildschweinbestände simuliert. Diese Modellansätze können dann flächenhaft auf den Raum angewendet werden, indem Habitateignung und Populationsdynamik zu einem System verknüpft werden. Einfließende Parameter sind räumliche Habitatkonfiguration, Bejagung, Nahrungsangebot, Klimabedingungen und Reproduktionsrate. Die Grundlage hierfür bilden die bereits erhobenen Telemetriedaten, Reproduktionsraten, Streckendaten und Beobachtungen zur Abundanz der Wildschweine.

 

Untersuchungsziele

  • Darstellung von probaten Erfassungsmethoden zur Bestandseinschätzung von Wildschweinenpopulationen - insbesondere in Hinblick auf die Abschätzung der Sauendichten in potentiell ESP-gefährdeten Gebieten in Niedersachsen.
  • Abschätzung der jährlichen Reproduktionsleistung von Bachen insbesondere von Frischlingsbachen. (%-Zuwachsleistung verschiedener Altersklassen).Prognostizierung des zu erwartenden Bestandszuwachses des Schwarzwildes im Folgejahr.
  • Dokumentation der Bejagungseffizienz von Drück- und Einzeljagden, incl. Fallenjagd anhand einer Umfrage unter ca. 7000 Revieren in Niedersachsen.
  • Landesweite Streckenanalyse von Sauen anhand der Erlegungsdaten auf Landkreisebene
  • Detaillierte Streckenanalyse und nachfolgende Populationsanalyse (Modelling) mittels Modellansätzen (z.B. Matrixmodelle, wie z.B.Leslie- Matrix-Modell, Zelluläre Automaten…
  • Erkenntnisgewinn für ein gezieltes Wildmanagement des Schwarzwildes in schweinepestgefährdeten Gebieten.