Bildausschnitt vom Kopf eines Feldhasen im Getreide
Projektdaten  
Projektdauer: 2006-2010
Projektleitung: Prof. Dr. Burkhard Meinecke
Wiss. Bearbeitung: Dipl.-Biol. U. Voigt
Förderung: Jagdabgabemittel des Landes Niedersachsen
Kooperation: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Prof. Dr. H. Hofer)

Projektbeschreibung

Der Feldhase (Lepus europaeus) ist aufgrund seiner großen Vermehrungsfreude bereits seit Jahrhunderten als Fruchtbarkeitssymbol bekannt. Trotzdem haben seine Bestände seit den 1960er Jahren in ganz Europa in unterschiedlichem Ausmaß abgenommen (DJV 1986, DJV 2006, LUNDSTRÖM-GILLIÉRON & SCHLAEPFER 2003, SCHMIDT et al. 2004, TAPPER 1992). Die Bestandsrückgänge bzw. -stagnationen lassen sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen. (EDWARDS et al. 2000, LUNDSTRÖM-GILLIÉRON & SCHLAEPFER 2003, SMITH et al. 2004, SMITH et al. 2005a, SMITH et al. 2005b). Als Hauptursachen werden Veränderungen des Lebensraumes durch eine intensiv betriebene Landwirtschaft, zunehmende Prädatorendichten und Prädatorenarten sowie widrige Witterungsbedingungen mit einhergehender Schwächung der Tiere und Ausbruch von Krankheiten angesehen. Die genannten Faktoren sind stets eng miteinander verzahnt, immer regional unterschiedlich zu bewerten und ergeben für sich alleine betrachtet keine Erklärung für geringe Hasendichten, mangelnde Populationszuwächse und schlechte Hasenlebensräume. Studien aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Österreich (BENSINGER et al. 2000, BLOTTNER et al. 2001, GÖRITZ et al. 2001, HACKLÄNDER et al. 2001) ergaben keinen Hinweis auf eine verringerte Fruchtbarkeit bei Rammlern und Häsinnen, die infolge von Pestizideinsatz oder anderen Umwelteinflüssen ursächlich für geringe oder fehlende Populationszuwächse stehen könnte.

 

Waermebildaufnahme eines Junghasen
Wärmebildaufn. eines wenige Tage alten Junghasen (Foto U.Voigt).
Subtropische Raubwanze Dipetalogaster maxima
Subtropische Raubwanze Dipetalogaster maxima (Foto: U.Voigt).

Der Schlüsselfaktor für die Hasendichte und ihre kurz- und langfristigen Fluktuationen wird in den geringen Überlebensraten bei den Jungtieren von der Geburt bis zum 6. Lebensmonat gesehen. Die Jungtierverluste nehmen mit bis zu 85 % (GILLIS 1998, HACKLÄNDER et al. 2001, HAERER et al. 2001, MARBOUTIN et al. 2003, PÉPIN 1989) gegenüber den mit 20 bis 40 % angegebenen jährlichen Althasenverlusten (BROEKHUIZEN 1979, MARBOUTIN & HANSEN 1998, MARBOUTIN & PÉROUX 1995) einen deutlich höheren Stellenwert ein und sind daher entscheidend für den Populationsaufbau. Aber gerade hier besteht ein enormes Wissensdefizit über die Faktoren, die ursächlich für die hohe Jungtiersterblichkeit verantwortlich sind. Weiterhin ist unklar wie die die Junghasensterblichkeit beeinflussenden Faktoren zusammenwirken und eine Zu- oder Abnahme der Hasenpopulation bewirken.

Da der europaweite Bestandsrückgang des Feldhasen primär auf Veränderungen in der Landwirtschaft zurückgeführt wird (EDWARDS et al. 2000, SMITH et al. 2004, SMITH et al. 2005a, SMITH et al. 2005b), scheint das Überleben von Junghasen in außergewöhnlichem Maße von der Agrarstruktur, der landwirtschaftlichen Bearbeitung und als Sekundäreffekt von der Prädation abzuhängen.

So sind die Junghasen des ersten und zweiten Satzes, die zwischen Mitte Februar und Anfang April geboren werden, aufgrund der zeitgleich stattfindenden Bodenbearbeitung einem erhöhten Mortalitätsrisiko ausgesetzt. Zusätzlich reduziert der extrem hohe Mechanisierungsgrad die Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich, da Junghasen in den ersten Lebenswochen nicht in der Lage sind, vor Maschinen und anderen Gefahren auszuweichen. In Abhängigkeit von der Agrarphänologie muss auch im Hinblick auf die Prädation von einer unterschiedlich hohen Mortalitätsrate bei den Jungtieren ausgegangen werden. Die Vegetationsdichte ist während des Spätwinters und Frühlings relativ gering, so dass nur wenige Deckungsmöglichkeiten bestehen. Dadurch können vor allem optisch jagende Prädatoren zu erheblichen Verlusten unter den Junghasen beitragen. Telemetrische Untersuchungen an adulten Feldhasen belegen bei zunehmender Vegetationsbedeckung der Kulturen im Getreideanbau eine Abnahme der nutzbaren Fläche bis zur Ernte (RÜHE 1999). Für Junghasen und Beutegreifer wie den Fuchs sind ähnliche Bedingungen anzunehmen, aber noch nicht nachgewiesen. Demzufolge würde sich die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Begegnung zwischen Beutegreifer und Hase auf der nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Fläche erhöhen. Im Hinblick auf die landwirtschaftliche Bearbeitung und Prädation sind letztendlich der Geburtsort und der Aufenthaltsbereich in den ersten Lebenswochen von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Junghasen und infolge auch für den Populationszuwachs.

HACKLÄNDER et al. (2002) wies darauf hin, dass juvenile Feldhasen als Nestflüchter erhöhten thermoregulatorischen Beanspruchungen ausgesetzt sind. In Abhängigkeit von der Witterung können die Energiebilanzen bei Junghasen in deren ersten Lebenswochen insbesondere im Zusammenspiel mit Pathogenen von Bedeutung für das Überleben sein.

EDWARDS et al. 2000, FRÖLICH et al. 2003, HAERER et al. 2001 messen Krankheiten bei adulten Feldhasen eine eher untergeordnete Bedeutung bei. Allerdings fehlt in den bisherigen infektionsepidemiologischen Studien ein repräsentativer Anteil an Junghasen (Geburt bis zum 6. Lebensmonat), bei denen Infektionskrankheiten für eine vermutete hohe Jungtiersterblichkeit verantwortlich sind.

Eine wesentliche Voraussetzung zur Beantwortung der verschiedenen Fragestellungen nach den Mortalitätsursachen sind die Erfassungsmethoden mit denen Junghasen zuverlässig und systematisch aufgespürt werden können. In eigenen Vorstudien konnte gezeigt werden, dass die moderne Wärmebildtechnik diese Bedingung in hohem Maße erfüllt. Da die Thermographie erst vor wenigen Jahren für den freien Markt verfügbar und bezahlbar wurde, stellt sie ein Novum in der wildbiologischen Forschung dar.

Literatur

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