Zecken: Relevante Krankheitsüberträger

Natur, frische Luft … und Zecken. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Menschen und Tiere, die von durch Zecken übertragenen Krankheiten betroffen sind, gestiegen.

Zecken können mit ihrem Stich Bakterien, Viren oder Parasiten auf Mensch und Tier übertragen. Diese Infektionen können dann zu Erkrankungen von Mensch und Tier führen. Die Gründe für ein verstärktes Vorkommen von Zecken bzw. Zecken-übertragener Krankheiten sind vielfältig. So können beispielsweise der Klimawandel, die zunehmende Verstädterung und andere menschliche Einflüsse auf das Ökosystem dazu beitragen.

Mit ihrem Team möchte Professorin Dr. Christina Strube, PhD, Leiterin des Instituts für Parasitologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, unter anderem das Risiko einer Gesundheitsgefährdung durch Zecken und der von ihnen übertragenen Erkrankungen ermitteln und darüber informieren. Dabei stehen stets Mensch und Tier im Fokus: „Für uns Tierärzte bilden das Tier, dessen Besitzer und die öffentliche Gesundheit eine natürliche Einheit“, sagt Professorin Strube.

 

Zecken-Warnschild
© Institut für Parasitologie, TiHo

Forschung zur Häufigkeit von Zecken, Borrelien und anderen Krankheitserregern

Obwohl Forscherinnen und Forscher bereits zahlreiche Erkenntnisse über Zecken und die Krankheiten, die sie übertragen, gesammelt haben, ist die Bevölkerung oft nicht ausreichend oder nur ungenau über diese Themen informiert. „Das führt dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger oft nicht genau wissen, in welchen Regionen welche von Zecken übertragenen Krankheiten vorkommen können oder wie häufig sie auftreten“, sagt Professorin Strube. „Folglich schützen sie sich und ihre Haustiere nicht immer optimal vor den kleinen Blutsaugern.“ Ihre Arbeitsgruppe untersucht daher bereits seit 2005 regelmäßig Zecken an verschiedenen Standorten im Stadtgebiet Hannover auf Krankheitserreger. Neben dieser Langzeitüberwachung bestimmen sie, wie häufig Zecken in Hannover und anderen Regionen Deutschlands auftreten (). Dabei konnten sie beispielsweise zeigen, dass im Stadtgebiet Hannover die Infektionsrate von Zecken mit Borrelien () und Anaplasmen () bislang über die Jahre weitgehend konstant ist, während Infektionsraten mit Rickettsien () erhebliche Fluktuationen zeigen.

Auch das Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)-Virus gehört zu den Gesundheitsbedrohungen durch Zecken. Obwohl das Virus überwiegend in Süddeutschland verbreitet ist, konnte gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt und dem Nationalen Konsiliarlabor für FSME ein Vorkommen an fünf verschiedenen Standorten in Niedersachsen belegt werden (). Die Untersuchung von Tieren auf FSME-Antikörper trägt ebenfalls zur besseren Kenntnis der Virusverbreitung in Niedersachsen bei ().

Beschrifteter Briefumschlag
Engagierte Bürgerinnen und Bürger unterstützen die Zeckenforschung.
© Institut für Parasitologie, TiHo

Der Klimawandel und andere menschliche Einflüsse führen zur Ausbreitung von Zecken

Aber nicht nur Krankheitserreger, auch die Zecken selbst sind zunehmend verbreitet. Besonders deutlich wird dies an der Buntzecke Dermacentor reticulatus, die auch als Wiesenzecke (früher auch Auwaldzecke) bezeichnet wird. Diese Zeckenart ist mittlerweile über ganz Deutschland verbreitet, wie anhand von Einsendungen engagierter Bürgerinnen und Bürger gezeigt werden konnte (). Da die Einsendung von Zecken auch nach dem Zeitraum des Aufrufs anhielt, konnten nochmals genauere Karten zur Ausbreitung der Wiesenzecke bereitgestellt und die aktuelle Verbreitung in Gesamtdeutschland über Vorhersagemodelle dargestellt werden ().

Mit der Unterstützung von Tierarztpraxen in ganz Deutschland konnten Professorin Strube und ihr Team zudem zeigen, dass die Wiesenzecke Dermacentor reticulatus mittlerweile die zweithäufigste Zecke bei Hunden nach dem Holzbock Ixodes ricinus ist, in Sachsen-Anhalt und Brandenburg ist sie nunmehr sogar die häufigste an Hunden gefundene Zeckenart ().

Durch die Klimakrise steigen die Durchschnittstemperaturen seit Jahrzehnten ganzjährig kontinuierlich an. Die milden Winter und der damit verbundene geringe oder häufig gänzlich ausbleibende Schneefall beeinflussen die Aktivität der Zecken (). Die durchschnittliche Temperatur im Winter war laut dem Deutschen Wetterdienst während der Monate Dezember bis Februar in den vergangenen Jahren bis zu 3,1 Grad Celsius höher als in der klimatischen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Im Rahmen einer einjährigen Einsendungsstudie wurde anhand von knapp 20.000 Zecken dokumentiert, wie viele Holzböcke und Wiesenzecken in den Wintermonaten Hunde und Katzen gestochen hatten. Die Wiesenzecke ist über den Winter konstant aktiv – außer wenn es schneit. Aber auch der Gemeine Holzbock ist inzwischen in milden Wintern von Dezember bis Februar aktiv. Vor allem im Februar war ein deutlicher Anstieg der Aktivität beider Zeckenarten zu beobachten ().
 

Buntzecken
Männchen und Weibchen der Wiesenzecke (Dermacentor reticulatus). Diese Zeckenart ist Überträger der Hundebabesiose.
© Institut für Parasitologie, TiHo

Lebensbedrohliche Erreger bei Tieren

Für Hunde stellt die durch die Wiesenzecke Dermacentor reticulatus übertragene kanine Babesiose eine besondere Bedrohung dar. Babesien sind einzellige Parasiten, die rote Blutkörperchen befallen und zerstören, so dass es zu einer Blutarmut kommen kann. Dabei verläuft die Ekrankung nicht selten trotz intensiver Therapiemaßnahmen tödlich. Leider kommt es im Zuge der starken Ausbreitung der Wiesenzecke in Deutschland bereits auch zu ansteigenden Babesiose-Erkrankungsfällen bei Hunden (). Professorin Strube und ihr Team konnten jüngst zeigen, dass nicht nur unerkannt mit Babesien infizierte Hunde, die über Tierschutzorganisation aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland gebracht werden,zur Verbreitung des Erregers beitragen, sondern auch heimische Hunde bei Reisen innerhalb Deutschlands Babesien-tragende Wiesenzecken mitbringen. Auch heimische Hunde können daher Ursache für die Entstehung neuer Infektionsherde für die Hundebabesiose in Deutschland sein (). Professorin Strube fasst das Ergebnis ihrer Forschung so zusammen: "Durch diese Verschleppungen der Überträgerzecken, insbesondere auch in Verbindung mit der nunmehr bestehenden Winteraktivität von Zecken, ist es wichtig, dass Hunde lückenlos in allen Monaten des Jahres mit einem wirksamen Präparat gegen Zecken geschützt werden - nicht nur, um den eigenen Hund zu schützen, sondern die gesamte heimische Hundepopulation". 

Holzbock
Weibchen des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus).

Neben Hundebabesien sind auch die Babesien der Rinder in Deutschland heimisch. Sie werden allerdings durch den Holzbock Ixodes ricinus übertragen. Auch die Rinderbabesien können zu schweren Erkrankungen und Todesfällen führen, Ausbrüche bei Rindern sind in Deutschland heutzutage allerding selten geworden. Dennoch können sie plötzlich auftreten und mit hohen Tierverlusten einhergehen, wie ein Fall in einer norddeutschen Rinderherde zeigt (), den Professorin Strube und ihr Team in Zusammenarbeit mit anderen TiHo-Wissenschaftlern begleitet und epidemiologisch analysiert haben ().

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Auch im Gesundheitssystem gibt es mitunter Wissenslücken oder andere Schwachstellen, sodass von Zecken übertragenen Krankheiten ungenügend vorgebeugt wird oder diese nicht schnell genug erkannt oder falsch behandelt werden. „Wir benötigen eine effiziente Risikoeinschätzung und effektive Prophylaxemaßnahmen sowie optimale Tests, um Krankheitserreger, die durch Zecken übertragen werden können, noch schneller oder präziser nachzuweisen. Und wir brauchen ein optimales Management für durch Zecken übertragene Erkrankungen“, sagt Professorin Strube. „Indem wir Daten und Informationen mit Forschenden aus den Bereichen der Humanmedizin, Biologie und anderen Disziplinen austauschen und bündeln, können wir gemeinsam im Sinne des One-Health-Konzeptes zum bestmöglichen Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier beitragen.“ Einen Beitrag hierzu liefern auch ein Übersichtsartikel zur Diagnostik von Zecken-übertragenen Erkrankungen in der Human- und Veterinärmedizin () und eine vergleichende Analyse des Vorkommens Zecken-übertragener zoonotischer Erreger bei Haustieren in gemäßigten und kühlen Regionen Europas ().

Neben Kooperationspartnern in der Wissenschaft arbeitet die Arbeitsgruppe von Professorin Strube mit dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt und dem Nationalen Konsiliarlabor für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zusammen, um das Vorkommen von FSME in Niedersachsen besser zu erforschen. So konnten sie gemeinsam über infizierte Zecken an fünf niedersächsischen Standorten berichten ().  Eine langjährige und enge Zusammenarbeit besteht auch mit dem Nationalen Referenzzentrum für Borrelien, mit dem unter anderen der Zusammenhangs zwischen dem Alter einer Zecke und einer Infektion mit Borrelien untersucht wurde ().

Grünfläche in der Stadt
Auch städtische Grünanlagen sind Zeckenhabitate.
© Institut für Parasitologie, TiHo

Die Vernetzung spiegelt sich auch in transnationalen Projekten wider. So schlossen sich für das Projekt "NorthTick" elf Partner aus den Nordseeanrainerstaaten Schweden, Dänemark, Norwegen, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Deutschland zusammen. Auch besteht eine Zusammenarbeit mit dem niederländischen Nationalen Institut für Gesundheit und Umwelt (Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu) und Forschenden der Universität Amsterdam und der Universität Aberdeen (Großbritannien).

Kinder im Hörsaal
© Sonja von Brethorst

Informationsweitergabe an die Öffentlichkeit

 „Die Ergebnisse unserer Untersuchungen und mögliche Präventionsmaßnahmen möchten wir an die Öffentlichkeit und oft auch gezielt an Tierbesitzerinnen und Tierbesitzer oder die Tierärzteschaft weitergeben“, sagt Professorin Strube.

Das fängt bei den Kleinsten an – so waren Zecken ein Thema der KinderUniHannover. Professorin Strube fragte „Muss man Angst vor Zecken haben?“ und nahm die Kinder zur Beantwortung dieser Frage mit auf eine Reise durch ein Zeckenleben und erklärte, wie sie sich vor einem Zeckenstich schützen können. Die Veranstaltung fand auch ein großes mediales Echo in der Region, so dass sich ein paar der kleinen Zuhörer am nächsten Tag stolz in verschiedenen Online- und Printmedien wiederfinden konnten.