Frau auf dem Sofa mit Katze und Hund

Ein Erreger - viele Tiere

Wie empfänglich sind Heim- und Nutztiere für SARS-CoV-2? In einem Kooperationsprojekt untersucht ein Forscherteam am Institut für Pathologie, ob und wie das Virus Haustiere infiziert.

Die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Viruspandemie ist eine Zoonose: Das Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) kommt aus dem Tierreich. Unklar ist, welche und wie viele Spezies es bisher infizieren kann. Gerade wo Tiere in engem Kontakt mit dem Menschen gehalten werden, ist es wichtig zu wissen, ob diese Tierarten für eine solche Virusinfektion empfänglich sind. Dazu, ob Haustiere sich mit SARS-CoV-2 infizieren können, gibt es bisher aber nur wenige Erkenntnisse.

Ein Team des Instituts für Pathologie der TiHo forscht daran nun im Projekt Domestic Animals as Potential Vectors for SARS-CoV-2 Transmission (ANI-CoV) gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der Abteilung Infektionsbiologie des Leibniz-Instituts für Primatenforschung in Göttingen. Die Forscherinnen und Forscher setzen sich in dem Projekt gezielt damit auseinander, was auf zellulärer Ebene im Respirationstrakt von Tieren geschieht, wenn diese mit dem COVID-19-Auslöser in Kontakt kommen. Der Clou an der Sache: Tierversuche braucht es dafür nicht. Und es konnte auch direkt losgehen, denn am Institut für Pathologie hatte das Team um Professor Dr. Wolfgang Baumgärtner, PhD, bereits Expertise und Material gesammelt, um mit der finanziellen Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur eine Gewebe- und Zellbank aufzubauen. Die Sammlung ist Teil des Projekts R2N – Replace and Reduce aus Niedersachsen, in dem es um tierversuchsfreie biomedizinische Grundlagenforschung zu Atemwegsinfektionen bei Mensch und Tier geht. Jetzt können die Forscherinnen und Forscher die Gewebe- und Zellkulturen für ihre SARS-CoV-2-Forschung nutzen. „Wir haben also bereits Material von gängigen Heim- und Nutztierarten wie Hund, Katze, Schwein, Frettchen etc. vorrätig,“ erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Sandra Runft. Insgesamt von elf Tierarten wurden bisher Gewebekulturen angelegt. Da noch wenig über die unterschiedlichen Gewebestrukturen in den Atemwegen der Tierarten bekannt ist, gehört die gründliche Charakterisierung der Gewebe zu den Aufgaben des Forscherteams.

Die Forscherinnen und Forscher testen in ANI-CoV, ob sich die hauchdünnen Gewebekulturen mit SARS-CoV-2 infizieren lassen. Dabei ist Zelle nicht gleich Zelle: „Wir wollen sowohl den oberen als auch den unteren Respirationstrakt untersuchen“, erläutert Runft und zählt auf: „Nasenschleimhaut, Luftröhre, Trachealeptihelzellen, die Flimmerepithelzellen, Lungengewebe – von der Nase bis zur Lunge gibt es unterschiedliche Gewebetypen.“ Dabei nutzen sie verschiedene Ex-vivo- und In-vitro-Kultursysteme, wie zum Beispiel Nasenschleimhautexplantate, Air-liquid-interface-Kulturen oder Lungenpräzisionsschnitte (precision-cut lung slices, PCLS).

Anhand der Zellkulturen gilt es nun, die für SARS-CoV-2 tatsächlich empfänglichen Haustierarten herauszufinden. Im nächsten Schritt geht es dann um die Zelltypen, die auf das Virus reagieren. Zur Fragestellung gehört, welche Gewebetypen bei welchen Tierarten überhaupt durch das Virus angreifbar sind und zu welchen Modifikationen es dadurch kommt. Ob Zellen absterben oder sich Gewebestrukturen verändern, lässt sich beispielsweise mit dem Transmissionselektronenmikroskop verfolgen. „Wir wollen auch untersuchen, ob wir Unterschiede zwischen den Zellen der verschiedenen Tierarten sehen“, erläutert Runft, „und ob wir eine Reaktion bei den unterschiedlichen Immunzellen beobachten können“. An diesem Punkt kommen die Göttinger Kolleginnen und Kollegen ins Spiel: Nadine Krüger, PhD, und ihr Team analysieren unter anderem bei den verschiedenen Tierarten die Rezeptoren, über die das Virus mit seinen Oberflächenproteinen an die Zelle andockt und sich Zugang verschafft. Es geht dabei um die Zusammenhänge zwischen Virusinfektion, der Vervielfältigung des Virus in der Zelle und den dadurch entstehenden Schaden am Gewebe.

Das Projekt läuft noch bis November 2021. ANI-CoV wird vom Bundesministerium für Forschung und Bildung mit insgesamt ca. 180.000 Euro gefördert, von denen gut 100.000 Euro an die TiHo gehen.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Zilien
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Zilien
© Sandra Runft