„Meistens ist keine Hilfe notwendig!“

TiHo-Tierärzte warnen davor, unverletzte Jungvögel einzusammeln

Alle Jahre wieder – mit dem Einzug des Frühlings finden aufmerksame Spaziergänger und Naturfreunde vermeintlich verlassene Jungvögel und bringen sie in die Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.  

 

„Meistens ist aber gar keine Hilfe notwendig, da die Jungtiere von ihren Eltern versorgt werden. Die Aufnahme in menschliche Obhut ist für Jung- oder Wildvögel in vielen Fällen eine eher fragwürdige Hilfe,“ erklärt Dr. Norbert Kummerfeld, Leiter der Arbeitsgruppe Zier- und Wildvögel in der Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel, „die Jungen können nur überlebensfähige Mitglieder einer freien Vogelgesellschaft werden, wenn sie gemeinsam mit ihren Geschwistern und Eltern in der Natur aufwachsen.“ Per Hand aufgezogene Vögel können – hervorgerufen durch falsches Futter – von Wachstumsstörungen oder Befiederungsproblemen sowie von Fehlprägungen betroffen sein. Häufig endet die künstliche Aufzucht für diese Vögel dann im Herbst oder Winter mit dem Tod. Die meisten von Menschen aufgezogenen Vogelküken haben kaum eine Überlebenschance, weil sie mit ihren Artgenossen, die in freier Wildbahn aufgewachsenen sind und von ihren Eltern trainierten wurden, in Konkurrenz um ihren Lebensraum stehen.

 

„Weniger als die Hälfte der in der TiHo abgegebenen Vogelfindlinge sind wirklich verletzt oder erkrankt – und damit tatsächlich Patienten, die einer tierärztlichen Hilfe bedürfen“, berichtet Kummerfeld. „Die meisten Findlinge sind gesunde Jungvögel, die durch die gut gemeinte Sammelaktion von ihren Familien getrennt wurden und schließlich an Wildvogelstationen weitergegeben werden müssen. Leider finden nur Wenige nach einem sofortigen Rücktransport wieder den für ihr Überleben so wichtigen Familienanschluss.“

 

Um Jungvögeln wirklich zu helfen, rät Dr. Norbert Kummerfeld daher, einige Vorsorgemaßnahmen zu befolgen:

Es sollten nur Vögel aufgenommen und zu einem Tierarzt oder in eine Pflegestation gebracht werden, die tatsächlich abgemagert oder äußerlich erkennbar verletzt sind. Das können beispielsweise Federverluste, Haut- oder Muskelwunden sowie gebrochene Flügel oder Beine sein. Alle anderen Jungvögel sollten ins nahe Gebüsch gesetzt werden. Dort werden sie von ihren Eltern weiter versorgt. Der Geruch der Hände stört die Vogeleltern nicht. Die gefundenen Jungen sind mit großer Sicherheit nicht elternlos, sondern befinden sich im sogenannten Ästlingsstadium, in dem sie das Nest verlassen und erste Flugversuche übernehmen. Diese Tiere werden von den Eltern nach wie vor versorgt und benötigen keine Hilfe. Durch Rufkontakte finden die Eltern ihren Nachwuchs.

 

Sehr häufig werden im Frühjahr Stockenten in der Klinik abgegeben. Sie sind Nestflüchter, die sofort nach dem Schlupf ihr Nest verlassen und unter Leitung der Mutterente zum nächsten Gewässer ziehen. Entenküken und Mutterente sind eine untrennbare Einheit. Kommt es dennoch zur Trennung, werden die Entenküken zu Waisen, da andere Enten oder Entengruppen die verwaisten Küken nicht als Familienmitglieder akzeptieren. „Werden die Waisen von Hand aufgezogen, ist ihre spätere Wildbahnfähigkeit ungewiss“, sagt Kummerfeld. Je größer die Gruppe ist, umso besser sind die Überlebenschancen der Entenküken, einzelne Tiere sind nicht überlebensfähig.

 

Kontakt

Dr. Norbert Kummerfeld

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel

Tel. +49 511 953-6821

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