Geschichte des Fachgebietes "Allgemeine Radiologie und Medizinische Physik"

 

Bis 1975 wurde die Physikausbildung der Tiermedizinstudenten von den Physikalischen Instituten der Universität Hannover durchgeführt. Im Jahr 1975 wurde Prof. Dr. Giese, der als Tierarzt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter des "Physiologischen Instituts" noch ein Physikstudium abgeschlossen hatte, mit dem Aufbau und der Leitung des Fachgebietes "Medizinische Physik" betraut. Seit dieser Zeit werden die Physik- und die Radiologieausbildung der Tiermedizinstudenten an der Tierärztlichen Hochschule selbst durchgeführt. Diese Möglichkeit ist einmalig, wenn man die fünf Fakultäten der Veterinärmedizin in Deutschland betrachtet.

Im Bereich der Forschung wurden verschiedene Untersuchungen mit radioaktiven Isotopen wie z. B. bei der Plazentadurchblutung durchgeführt. Im Jahr 1985 schaffte die Tierärztliche Hochschule auf Betreiben von Herrn Prof. Dr. Giese ein Isotopen-Massenspektrometer an. Mit diesem Gerät und einem später zur Verfügung stehenden Infrarotspektrometer wurden physikalische Meßmethoden entwickelt, die es ermöglichen, auf Untersuchungen mit radioaktiven Isotopen weitestgehend verzichten zu können.

Für die Kliniken und Institute der Tierärztlichen Hochschule wurden verschiedene elektronische Messsysteme entwickelt und eingesetzt. Hierzu zählt ein Messsystem zur Überwachung der Kerntemperatur in Schlachttierhälften während der Kühlung. Damit gelingt es, die Kühlung der Tiere nach der Schlachtung zu optimieren. Für die Klinik für kleine Klauentiere wurde ein Messgerät zur schnellen Temperaturmessung entwickelt, mit dessen Hilfe Erkrankungen insbesondere in großen Tierbeständen frühzeitig erkannt werden können. Aus beiden Forschungsaktivitäten gingen viele Dissertationen hervor, die im Fachgebiet selbst oder in Zusammenarbeit mit anderen Hochschuleinrichtungen entstanden sind.

Nach dem Kernkraftwerksunglück in Tschernobyl 1986 wurde die Dekontaminierung von Menschen, Tieren sowie Lebens- und Futtermitteln ein wichtiges Thema. Herr Prof. Dr. Giese entwickelte einen cäsiumspezifischen Ionenaustauscher ("Giese-Salz"), der bei der Entseuchung von 5000 Tonnen kontaminierten Molkepulvers großtechnisch angewendet wurde. Außerdem wurde das international als unschädlicher Futter- und Lebensmittelzusatzstoff zugelassene "Giese-Salz" in Form von Lecksteinen zur Dekontaminierung von Wildtieren in verschiedenen Bundesländern und europäischen Staaten eingesetzt.

Im Jahr 1999 schied Prof. Dr. Giese aus dem Hochschuldienst aus. Zwischen 1999 und 2002 wurde der Lehrbetrieb von Dr. Koch und Dr. Lüpke durchgeführt. Im Juli 2002 trat Prof. Dr. Seifert, der vorher 10 Jahre lang als Medizin-Physiker an der Radiologischen Universitätsklinik Homburg/Saar tätig war, die Nachfolge von Prof. Dr. Giese an. Seit seinem Dienstantritt trägt das Fachgebiet die Bezeichnung "Allgemeine Radiologie und Medizinische Physik".