Japan: Die Klassische Schweinepest ist zurück

Nach 26 Jahren ist die für Schweine häufig tödlich verlaufende Klassische Schweinepest erstmals wieder in Japan aufgetreten – mit weitreichenden Konsequenzen, denn Japan gehört weltweit zu den zehn bedeutendsten Schweineproduzenten. Virologen der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) unterstützen die japanischen Wissenschaftler dabei, den Erreger zu charakterisieren und hoch sensitive Nachweismethoden zu etablieren.

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Typisches Symptom der Klassischen Schweinepest ist eine allgemein erhöhte Blutungsneigung: Unter anderem treten Blutungen besonders im Bereich der Gelenke, in der Unterhaut, an den Ohren und am Schwanz auf. Foto: Alexander Postel

Die Klassische Schweinepest (KSP) gehört zu den bedeutendsten Tierseuchen weltweit: Besonders in den 1990er Jahren verursachte sie in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verheerende Seuchenzüge mit häufig letalem Ausgang für Haus- und Wildscheine. Der Handel mit Schweinen und Schweinefleischprodukten war in der Folge stark eingeschränkt. Seit 1980 ist am Institut für Virologie der TiHo das Referenzlabor der Europäischen Union für die KSP angesiedelt. Zusätzlich ist das Labor, neben weltweit sieben weiteren Einrichtungen, Referenzlabor der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE). „Wesentliche Aufgabe des Labors an der TiHo ist, eine schnelle und verlässliche Erregerdiagnostik in den Mitgliedsstaaten der EU sicherzustellen, aber auch die OIE-Mitgliedsstaaten bei der Erregerdiagnostik zu unterstützen. Die internationale Vernetzung spielt eine bedeutende Rolle bei der Bekämpfung der KSP“, erklärt Professor Dr. Paul Becher, Leiter des Instituts für Virologie und Direktor des EU und OIE-Referenzlabors.

Vor diesem Hintergrund zogen die Wissenschaftler aus Japan die Virologen der TiHo zu Rate, als sich im September 2018 herausstellte, dass das Virus der Klassischen Schweinpest (KSPV) für die erhöhte Sterblichkeit in einem japanischen Schweinehaltungsbetrieb verantwortlich ist. Schnell wurde klar, dass in der Nähe des Betriebes in der zentral gelegenen Präfektur Gifu auch Wildschweine infiziert sind. Genetische Analysen zeigten, dass es sich bei den nachgewiesenen Erregern um dasselbe Virus handelte. Um das Virus molekularbiologisch näher zu charakterisieren, entschlüsselten die Wissenschaftler ausgewählte Genombereiche und verglichen die Sequenzen mit bekannten Virusgenomen. Darunter waren KSPV-Genomsequenzen früherer Ausbrüche in Japan sowie jüngerer Ausbrüche in südostasiatischen Ländern wie Thailand und Vietnam. „Wir besitzen am Institut eine einzigartige Sammlung mit etwa 1.000 KSPV-Isolaten. Ein Großteil dieser Viren ist genetisch gut charakterisiert“, erklärt Dr. Alexander Postel, der die Abteilung für Molekularbiologie am Referenzlabor leitet. „Dies ermöglichte es uns, sehr schnell festzustellen, dass sich das aktuelle Virus deutlich von älteren Isolaten unterscheidet“, so Postel weiter. Das Virus besitzt hingegen eine sehr hohe genetische Übereinstimmung mit Viren, die in den vergangenen Jahren in China und in der Mongolei aufgetreten sind. Die Ergebnisse der Untersuchungen veröffentlichten die Wissenschaftler in dem Fachmagazin Emerging Infectious Diseases. In Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern des OIE-Referenzlabors aus Japan planen die TiHo-Wissenschaftler jetzt, die aktuelle Virusvariante biologisch näher zu charakterisieren. Die neuen Infektionsställe der TiHo am Campus Bünteweg bieten hervorragende Voraussetzungen, den Verlauf der Infektion auch im natürlichen Wirt näher zu untersuchen.

In Japan konnte sich das Virus derweil – unter anderem wegen der hohen Wildschweindichte in der südlichen Landeshälfte – weiter ausbreiten und es kam zu weiteren schweren Ausbrüchen in Schweinebeständen. Seit Februar werden die japanischen Wildschweine nun gegen KSP geimpft – mit einem Lebendimpfstoff aus Deutschland. Wie schwierig dies ist und welcher immense finanzielle Aufwand die Bekämpfung im Wildschwein bedeutet, haben wir in Deutschland bis 2012 selber leidvoll erfahren. Hierzulande konnte man zumindest auf die Unterstützung durch die Jägerschaft zurückgreifen – in Japan fehlen jedoch solche jagdlichen Strukturen gänzlich. Fest steht: Es wird wahrscheinlich viele Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis Japan seinen seuchenfreien Status von der OIE wiedererlangt. Bis dahin ist noch ein langer beschwerlicher Weg zu gehen.

Dieser Artikel wurde auch im aktuellen TiHo-Anzeiger veröffentlicht.