Pferde-Hepatitis-Viren helfen, Hepatitis C zu verstehen

Der Vergleich zwischen Viren, die im Menschen und im Pferd vorkommen, bringt Erkenntnisse, die der Impfstoffentwicklung dienen können.

Daniel Todt und André Gömer stehen gemeinsam an einem Stehtisch.
Daniel Todt und André Gömer (rechts) schlagen ein neues Surrogatmodell für Hepatitis C vor.
© RUB, Marquard

Bisher gibt es keinen Impfstoff gegen Hepatitis C. Um neue Wege gehen zu können, suchten Forschende nach einem sogenannten Surrogatmodell: Einem Tier, das ebenfalls Träger des Hepatitisvirus sein kann und aus dessen Infektionsverlauf man Rückschlüsse auf das Verhalten des Hepatitis-C-Virus beim Menschen ziehen kann. Fündig wurden sie beim Pferd. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift „Virus Evolution“. Erstautor der Studie ist André Gömer, PhD-Student im Graduiertenkolleg VIPER an der TiHo. An der Abteilung Medizinische und Molekulare Virologie der Ruhr-Universität Bochum untersucht er den Zelleintritt und die Rezeptornutzung des Equinen Hepacivirus.

Virus entkommt dem Immunsystem

Über 70 Millionen Menschen sind weltweit mit Hepatitis C infiziert. Die Krankheit ist zwar behandelbar, wird aber oft nicht erkannt. In 80 Prozent der Fälle verläuft sie chronisch und kann zu Leberschäden bis hin zu Leberkrebs führen. Bislang gibt es keinen wirksamen Impfstoff. „Der Grund, warum die Erkrankung oft nicht ausheilt, liegt darin, dass das Virus sich ständig verändert und so dem Immunsystem entkommt“, erklärt Dr. Daniel Todt, Gömers Betreuer an der Ruhr-Universität Bochum. „Das Immunsystem bildet Antikörper, die dem Virus immer eine Weile hinterherhinken und jeweils nur eine Variante bekämpfen können, die rund zwei Wochen zuvor im Körper war.“ Diese Evolution des Virus innerhalb des Wirts interessiert die Forschenden deswegen besonders.

Bisher fehlt es an geeigneten Modellen, um Fragen dazu zu bearbeiten. Auf der Suche nach einem solchen sogenannten Surrogatmodell für die Erforschung des menschlichen Hepatitis-C-Virus werteten sie Proben aus, die in Kooperation mit der TiHo bei Pferden genommen wurden, die mit dem Equinen Hepacivirus, das dem Hepatitis-C-Virus ähnelt, infiziert waren. „Wenn man sich die Hepatitis-Viren anschaut, die verschiedene Spezies befallen können, fällt auf, dass sich das menschliche und das für Pferde ansteckende Virus genetisch am ähnlichsten sind“, erklärt André Gömer. Die Forschenden analysierten die Oberflächenproteine der Viren aus Menschen und Pferden im Verlauf der Infektion und verglichen die Ergebnisse.

Die Taktik des Virus besser verstehen

„Beim Pferdevirus fehlt eine Region, die wir als hypervariabel bezeichnen“, erklärt Gömer. Sie verändert sich besonders schnell und schützt einen Bereich des Virus, der ihm hilft, Wirtszellen zu infizieren. Das könnte ein Grund dafür sein, dass die Infektion bei Pferden im Unterschied zu Menschen nur selten chronisch verläuft. „Diese Erkenntnisse helfen uns, die Taktik des Hepatitis-C-Virus besser zu verstehen und herauszufinden, auf welche Bereiche des Virus es besonders ankommt“, so Todt. Das Pferdemodell sei zwar nicht perfekt, aber dennoch gut geeignet, um Rückschlüsse auf das menschliche Virus zu ziehen.

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und den Ungarischen Scientific Research Fund.

Originalveröffentlichung

Intra-host analysis of hepaciviral glycoprotein evolution reveals signatures associated with viral persistence and clearance
André Gömer, Richard J P Brown, Stephanie Pfaender, Katja Deterding, Gábor Reuter, Richard Orton, Stefan Seitz, C- Thomas Bock, Jessika M V Cavalleri, Thomas Pietschmann, Heiner Wedemeyer, Eike Steinmann, Daniel Todt.
Virus Evolution, 2022, DOI: 10.1093/ve/veac007