Möglicher neuer Therapieansatz für schwer erkrankte Männer mit COVID-19

Enzym im Hormonhaushalt als potentiellen Angriffspunkt identifiziert

Coronavirus
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Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Virologin Professor Gülşah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie (LIV) und der TiHo veröffentlichte eine wegweisende interdisziplinäre Studie. In enger Zusammenarbeit mit der Universität Siena sowie weiteren nationalen und internationalen Forschungsinstituten und Kliniken identifizierten sie in dieser Studie das Enzym Aromatase (CYP19A1) als einen wichtigen Faktor für schwere COVID-19-Verläufe bei Männern. Die Forschungsergebnisse veröffentlichten sie in der renommierten Fachzeitschrift Cell Reports Medicine.

Rückblickende Analysen epidemiologischer Daten zeigten wiederholt gezeigt, dass die COVID-19-Mortalität bei Männern im Vergleich zu Frauen höher ist. Allerdings waren bislang die Ursachen für die beobachteten Geschlechtsunterschiede in COVID-19 weitgehend unbekannt.

Das internationales Forscherteam analysierte genetische Daten von 2.866 COVID-19-Patientinnen und Patienten und identifizierte im CYP19A1-Gen eine Mutation, die mit einem höheren Hospitalisierungsrisiko bei männlichen Patienten assoziiert ist. Das Gen produziert das Enzym Aromatase, das unter anderem für die Verstoffwechselung von Testosteron zuständig ist. Auch in Lungenproben verstorbener COVID-19-Patientinnen und -Patienten zeigte sich bei Männern eine erhöhte Aktivität des CYP19A1-Gens im Vergleich Frauen. Diese Befunde deuten darauf hin, dass dieses Gen die geschlechtsspezifischen Ausprägungen der COVID-19-Erkrankung beeinflusst.

„Diese Zusammenarbeit zeigt, dass genetische Untersuchungen wichtig sind, um unser Verständnis für molekulare Ursachen von viralen Erkrankungen und ihren Behandlungen zu verbessern“, erklärt Professorin Alessandra Renieri von der Universität Siena, die die genetische COVID-19-Kohorte etabliert hat.

Präklinische Studien im Tiermodell bestätigten diese Beobachtungen. Die Behandlung von SARS-CoV-2-infizierten Tieren mit dem Aromatase-Hemmer Letrozol verbesserte die Langzeit-Lungenfunktion und unterstützte die Wiederherstellung des hormonellen Gleichgewichts, insbesondere bei männlichen Tieren. Dies legt nahe, dass Aromatase-Hemmer eine vielversprechende therapeutische Strategie für die individuelle Behandlung männlicher COVID-19-Patienten darstellen könnten.

Professorin Gülşah Gabriel unterstreicht die enorme Bedeutung der internationalen und interdisziplinären Zusammenarbeit und betont: „Die Ergebnisse unserer collaborativen Studie könnten wichtige Hinweise für neue individualisierte Behandlungsstrategien gegen COVID-19 liefern“.

Kontakt
Professorin Dr. Gülşah Gabriel
Leibniz-Institut für Virologie, Hamburg
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Tel.: +49 40 48051-315
guelsah.gabriel@leibniz-liv.de